Mediacamp / jonettag: Journalismus und das neue Web

Akteure der alten und neuen Medien trafen sich auf dem jonettag am 7. September zum Austausch über Status quo und Zukunft des Journalismus. Die Veranstalter hatten dafür ein Format ausgewählt, das sich bei Web-2.0-Begeisterten und Bloggern schon seit einiger Zeit gro߸er Beliebtheit erfreut: Das Barcamp. Aus dem jonettag wurde kurzerhand ein “Mediacamp”.

jonettag: Podiumsdiskussion #3
Podiumsdiskussion.

Die Mischung aus Journalistenkongress und Web-2.0-Unkonferenz lockte eine recht heterogene Teilnehmerschaft in in die Hansestadt: Fernseh- und Printjournalisten, Blogger und Video-Podcaster, Studenten und Professoren, Unternehmer und PR-Profis tummelten sich in den Räumen der Handelskammer Hamburg.

Die kongressgewohnten Journalimusexperten in der Form eines Barcamps zusammenzubringen, war ein interessantes aber auch schwieriges Unterfangen. Der Kompromiss, den die Organisation dabei einging, war aus meiner Sicht als “erfahrener Barcamper” doch zu sehr in Richtung Kongress getroffen worden. Zum einen waren schon im Vorfeld Sessions festgelegt und Gastreferenten
dafür eingeladen, zum anderen sollten die Teilnehmer ganz spontan Sessions anbieten. Und wer das nicht gleich machen wollte, der konnte sich noch im Nachhinein auf eine Liste eintragen, die dann von den Organisatoren in den Sessionplan übertragen wurde. Das System hatte irgendwie zu viele Stufen und hat leider nicht so richtig funktioniert. Zwar gab es zwei, drei Veranstaltungen, die zu den bestehenden Sessions hinzukamen, jedoch überwogen die Vorträge und Podiumsdiskussionen mit Konferenz-Charakter.

Journalismus, quo vadis?

Die Podiumsdiskussion zu Beginn des Mediacamp drehte sich rund um die Frage “Zukunft des Journalismus”. Auf dem Podium: Hermann-Josef Tenhagen (Chefredakteur Finanztest), Prof. Roger Blum (Professor für Medienwissenschaft in Bern), Christoph Ulmer (freier Fernsehjournalist) und Alexander Böhm (Alex TV).

Anfangs war die Debatte aus meiner Sicht recht trocken und medientheoretisch. Das änderte sich, als Alex von Alex TV mit in die Gesprächsrunde eingebunden wurde und das Publikum in die Diskussion eingriff. Schade allerdings: Alex wurde – hatte ich jedenfalls das Gefühl – von den anderen auf dem Podium eher beliebäugelt, ganz nach dem Motto: Schaut mal, da ist einer, der hat schon mit 18 so tolle Sachen gemacht; wie ist es denn so als junger Mensch, in unserer gro߸en Medienwelt?

jonettag: Podiumsdiskussion #4
Teilnehmer des jonettags.

Lange diskutierten die Teilnehmer über das Thema Medienwächter: Brauchen wir eine Instanz, die Medienangebote kontrolliert und darüber urteilt, was guter Journalismus ist? Burkhard Schröder fasste das so zusammen: Die Idee von Medienwächtern sei eine typisch deutsche, und daher absurd. Mit der Einbeziehung des Publikums entfaltete sich der alte Streit zwischen Journalisten und Bloggern. Oliver Gassner provozierte die alteingessesenen Journalisten mit der Aussage: “Journalisten sind ja eigentlich auch nur Blogger”.

Insgesamt war ein Einstiegspanel mit renommierten Medienmenschen ein gelungener Einstieg zur Veranstaltung, es hatte allerdings den Nachteil, dass jede aufkommende Barcamp-Stimmung im Keim erstickt wurde. Es entstand das Gefühl von “denen da vorne” und dem Publikum.

Sessions = Vorträge = Podiumsdiskussionen

Die Sessionslots waren mit 90 Minuten sehr lang angesetzt, was wahrscheinlich den einen oder anderen abgeschreckt hat, einen Workshop anzubieten. Oliver Gassner teilte denn auch die Zeiteinheit kurzerhand in zwei Sessions auf (seine üblichen Barcamp-Themen Paid Blogging und Getting Things done). Besucht habe ich die Sessions Ausbildung, Wie man mit Bürgerjournalismus Geld verdient und Features von Zeitungs-Webseiten.

Es kommt nicht auf den Kochtopf an

jonettag: Session Ausbildung #1
Session Ausbildung.

Wie das Einstiegspanel war die Session Ausbildung als Podiumsdiskussion angelegt. Auf der Bühne diskutierten Annette
Le߸möllmann
(Hochschule Darmstadt), Marlis Prinzing (Europäische Journalismusobservation), Nina Tschierse (NDR) und Anja Würzburg (Hamburg Media School). Lange wird über den Weg zum Journalismus gesprochen und über das Ausbildungskonzept an den vertretenen Instituten.

Als Nicole Simon danach fragt, inwiefern das neue Web mit Kommunikationsformen wie Bloggen als Einstieg in den Journalimsmus dienen kann, gerät man schnell in die Debatte klassischer Journalismus vs. Weblogs. Zum Schluss machen die eingeladenen Entscheidungsträger von journalistischen Ausbildungsstätten aber klar: Neue Kommunikationsformen sind heute natürlich überall Bestandteil der Ausbildung. Anja Würzburg dazu: Man könne sowohl mit neuen oder alten Töpfen ein gutes Gericht machen. Es komme auf den Inhalt an, nicht auf die Instrumente.

Schreiben für die Anerkennung

In der Session Bürgerjournalismus stellte Dr. Martin Huber (gogol medien) die Plattform myheimat.de vor. Nach einer Präsentation von Huber entstand eine recht kritische Diskussion, die Fragen aus dem Publikum drehten sich um die Finanzierung, Werbung, rechtliche Unklarheiten und die Haftung für die Texte.

Ich persönlich war etwas enttäuscht, weil ich beim Titel “Wie man mit Bürgerjournalismus Geld verdient” vermutet hatte, es gehe darum, wie man als Bürgerjournalist Geld verdient. Stattdessen bekomme ich ein Konzept gezeigt, wie Hobbyjournalisten eine Zeitung schreiben, für die dann andere Gewinne einstreichen.

Lokalzeitungen ohne regionale Vormachtstellung

jonettag: Session Features von Zeitungswebsites #1
Session Features von Zeitungswebsites

Aufgrund von Orientierungslosigkeit bin ich leider eine halbe Stunde zu spät zur Session Features von Zeitungswebseiten, die Falk Lüke (Redakteur bei Zeit online) leitete, gekommen. In der Stunde, die ich gesehen habe, ging es vor allem um Negativbeispiele von Onlineauftritten deutscher Lokalzeitungen. Web 2.0 ist bei den wenigsten angekommen, viele haben es verpasst, in ihren Regionen zum “Community-Anbieter” zu werden. Bisweilen wird der “gute Name” einer Zeitung für Werbefluten und Singlebörsen missbraucht. Insgesamt interessant, am Ende wurde aber aus meiner Sicht zu sehr auf einzelne Angebote draufgehauen und zu wenig auf “Wege aus dem Missstand” eingegangen.

Fazit

Minus:

  • Länge der Sessions: Die Sessions waren mit eineinhalb Stunden einfach zu lang angesetzt. Man konnte an dem Tag nur an drei Sessions teilnehmen statt wie auf Barcamps üblich fünf bis sechs
  • Kosten: Die Veranstaltung kostete 30 EUR, ermä߸igt 25 EUR; ich wei߸, für eine Konferenz ist das wenig Geld, aber interessierte Studenten, Blogger oder freie Journalisten werden davon eher abgeschreckt; der ermä߸igte Preis hätte günstiger ausfallen können (z.B. 5 oder 10 EUR)
  • Sessions: Die Sessions waren zu sehr im Vortragsstil
  • Vorstellungsrunde: Es gab kein Self Tagging

Plus:

  • Heterogenität: Die Zusammensetzung der Teilnehmer bot eine interessante Vielfalt
  • Pausen: zwischen den Sessions war genügend Zeit, um sich mit Leuten zu unterhalten
  • Standort: Das Gebäude und die Räume (danke an die HK für das Sponsoring)
  • Einstieg: Ich fand es ganz gut, dass es eine Podiumsdiskussion gab

Meine Vorschläge für das nächste Mal:

  • Self Tagging am Anfang der Veranstaltungen
  • keine Stühle beim Self Tagging und der Sessionvorstellung
  • Bei der Sessionvorstellung mit Zetteln und einem Board arbeiten, nicht mit Powerpoint und einem beschränkten Zugriff auf die Session-Organisation
  • Sessions kürzer (45 Minuten)
  • Erst Sessions besprechen, dann Einstiegspanel
  • für Studenten stärkere Ermä߸igung
  • ein weniger teures Restaurant für den Ausklang wählen

Für mich persönlich hat es sich gelohnt, zum jonettag zu fahren. Die Teilnehmer waren interessant und ich hatte spannende Gespräche zwischen den Veranstaltungen. Die Sessions waren mir zu lang und vortragslastig, dennoch habe ich einiges mitgenommen. Der Versuch, dem jonettag eine Barcamp-Atmosphäre aufzusetzen ist – zumindest aus meiner Sicht – gescheitert. Das finde ich aber gar nicht so schlimm. Wahrscheinlich muss man Leute au߸erhalb der Web2.0-Crowd bei dem doch etwas chaotisch klingenden Format noch mehr an die Hand nehmen und sie langsam an das Format heranführen. Aber ich finde es nichtsdestotrotz beachtlich, dass die Organisatoren vom jonettag das gewagt haben. Bleibt zu hoffen, dass bei zukünftigen Veranstaltungen dieser Art mehr Barcamp-Atmosphäre aufkommt.

Danke an die Organisatoren für die Durchführung der Veranstaltung, für den spannenden Tag und dafür, dass sie das Unkonferenzformat für sich entdeckt hat.

Reaktionen der Blogosphäre zum jonettag:

3 Gedanken zu „Mediacamp / jonettag: Journalismus und das neue Web

  1. Ich war beim diesjährigen Jonet-Tag nicht dabei, habe aber den letzten mitorganisiert. Größtenteils deckt sich das was Du sagst, mit dem, was ich schon von anderen Seiten gehört hatte. Aber die Geschichte mit dem Preis… denk mal drüber nach, was Du für 30 (ermäßigt 25!) Euro bekommst: Eine vollständig von ehrenamtlichen Leuten organisierte Veranstaltung in der Handelskammer Hamburg über einen ganzen Tag mit hochkarätigen Referenten, mit Getränken, Catering, Technik und allem drum und dran…. ach ja, ehm, was zahlst Du nochmal, wenn Du abends ins Kino gehst, danach noch zwei Bier trinkst und mit dem Bus nach Hause fährst?! Sorry, aber irgendwo muss die Geiz-ist-geil-Knicker-Mentalität auch ein Ende haben.

  2. Mir ging es vor allem um die Ermäßigung. Ich als Student kann die Veranstaltung nicht aus der Portokasse bezahlen und fände es einfach schön, wenn Studenten oder andere “Minderbemittelte” mehr gefördert werden für sowas. Ich habe zum Glück ein Niedersachsen-Semesterticket, ansonsten zahlt man, wenn man von Hannover nach Hamburg mit dem Zug fährt, ca. 30 Euro Zug plus 25 Euro jonettag. Und das hat dann nichts mehr mit Geiz ist geil zu tun, sondern ganz rational mit meinem kleinen Geldbeutel.

    Ich weiß es durchaus zu schätzen, was ich für einen Preis von 30/25 Euro bei so einer Veranstaltung bekomme, bei richtigen Konferenzen zahlt man auch mal schnell das 10- bis 20-fache. Mir ist es das auch wert, deswegen war ich ja da. Trotzdem bleibe ich dabei: Studenten und Schülern, die sich für journalistischen Themen interessieren, würde eine höhere Ermäßigung helfen – als konstruktive Kritik fürs nächste Mal.

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